2.1 EINFÜHRUNG

Einflussnahme ist kein einmaliges Geschehen, sondern ein Prozess, der in einer ersten groben Gliederung in 4 folgenden Phasen abläuft

  • Einfluss gewinnen
  • Einfluss ausüben
  • Einfluss behaupten
  • Einfluss abgeben


Doch beginnen wir mit dem Start, dem wir besondere Aufmerksamkeit widmen!
Jede dieser Phasen hat ihre eigene wichtige Bedeutung, und für jede dieser einzelnen Phasen gibt es Verhaltensweisen, die eine Einflussnahme fördern oder behindern. Vor allem die erste Phase rückt vor allem bei Ratgebern in den Vordergrund. „Auf den ersten Eindruck kommt es an“, „einen guten Eindruck hinterlassen“ sind einige Alltagsweisheiten, die auf die Bedeutung dieser ersten Phase verweisen. Danach erscheint der Eindruck als Setzling des Einflusses. Dieses Phänomen steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass es auch die Liebe auf den zweiten Blick gibt. Dennoch geht derjenige oder diejenige, die sich schnell einen Sympathiebonus erworben haben, mit einem gewissen Vorsprung in das Rennen um eine Einflussnahme. Diesen Vorsprung wieder einzuholen, ist wie bei einem Sprintwettbewerb nicht so leicht möglich. Da hat man als Langstreckenläufer doch mehr Chancen. Auch die letzte Phase, in der es darum geht, Einflusspotenziale abzugeben, weil man sich z.B. von einem einflussreichen Amt zurückzieht bzw. zurückziehen soll, ist nicht ohne Einfluss auf die rückwirkende Bewertung der Arbeit, die der Ausscheidende während seiner aktiven Zeit geleistet hat, aber auch für sein Gewicht bei zukünftigen Entscheidungen.

Einfluss gewinnen.

Einfluss kann man zum einen im wahrsten Sinne des Wortes gewinnen, indem man das große Los gezogen hat, am besten gleich von Geburt an. Man hat Einfluss, weil man in eine entsprechende Familie hineingeboren wurde, die schon mit den wesentlichen Faktoren, die Einfluss wahrscheinlich machen, ausgestattet ist. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wie man mit diesem Privileg umgeht, und wie die gesellschaftliche Duldung eines solchen Vorsprungs an Chancen umgeht. 

Eine Frage, die in unseren demokratischen Gesellschaften die Boulevardpresse beschäftigt, Prinz William und seine Familie lassen grüßen.

Man kann Einfluss auch im Rahmen eines Wettbewerbes gewinnen, ein Phänomen, das in eben der erwähnten demokratischen Gesellschaft üblich ist, wenn man den ebenfalls erwähnten Vorsprung, den manche haben, zunächst einmal außer Acht lässt.

Erstes Gebot ist, zunächst einmal wahrgenommen werden und das möglichst positiv und auf eine Art und Weise, die auch eine gewissen Zeit überdauert. Konkret bedeutet dies, dass man identifizierbar ist – und wie gesagt, möglichst positiv – wenn dritte sich über einen austauschen. Ein Beispiel aus eigener biographischer Erfahrung: An meinem ersten Studienort Tübingen, hatte ich ein Studentenkabarett gegründet, das ich dann bei meinem Wechsel an die Universität Kiel aufgeben musste. Dort habe ich dann noch einige Solo-Auftritte vor allem in universitären Zirkeln absolviert, so auch an dem Institut für Geschichte und Wissenschaft der Politik, an dem ich auch studierte. Als es in einer Institutskonferenz um die Besetzung einer Tutorenstelle ging, schlugen die Assistenten vor, mich mit der Aufgabe zu betrauen. Als der Institutsdirektor fragte, wer denn der Schäffner sei, wiesen Sie auf meine Auftritte während der Institutsfeiern hin. Der Direktor wusste nun, wer gemeint war und stimmte zu. Dass ich ihm anscheinend nicht durch etwaige kluge Beiträge meinerseits in den Seminaren aufgefallen war, tat seiner Zustimmung keinen Abbruch. Wenigstens hatte er einen Eindruck von mir und der war anscheinend positiv besetzt. Daraus entwickelte sich schließlich auch ein wissenschaftliches Interesse, das politische Kabarett als ein Seismograph des politischen Bewusstseins in der Bevölkerung zu untersuchen.

Dass dies sich so ergeben hat ist sicherlich dem Zufall geschuldet, dass ein Professor an einem Thema Gefallen fand, das seinem von Humor geprägtem Blick auf das politische Geschehen entgegenkam und dann noch die Idee mittrug, daraus ein doch eher ungewöhnlichen Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung zu machen. Die Voraussetzung bestand jedoch in dem Nachweis einer eher extrafunktionalen Fähigkeit, etwas zu initiieren und sich zu trauen. Ohne eine solche Initiative wäre eine solche Entwicklung nie zustande gekommen. Also heißt die Schlussfolgerung. „Wer sich zeigt“, hat größere Chancen, die erste Stufe der Einflussnahme, also die, Eindruck zu machen, erfolgreich bestehen.

 

Eine ergänzende Bemerkung scheint mir hier angebracht zu sein: Es ist auf die Dauer wohl nicht sinnvoll immer über ein bestimmtes Ereignis identifizierbar zu sein. Mir schien es wichtig zu sein, mich von dem Kabarettisten-Attribut zu lösen, damit die weiteren vor allem beruflichen Aktivitäten nicht immer unter einem solchen Fokus gesehen werden. Dies hat aber nicht zu einer Abkehr von einem satirischen doch humorvoll vermittelnden Blick auf das gesellschaftliche Geschehen geführt.

 

Aufmerksamkeit über bestimmte auffallende Ereignisse zu erreichen ist zwar eine Erklärung, aber schwer verallgemeinerbar und in einen Rat umzusetzen. Das gilt auch für das Aussehen eines Menschen. Jemanden zu raten, einfach besser auszusehen, damit sein Einfluss zunimmt, wäre geradezu absurd oder höchstens als Marketingmaßnahme der Schönheitschirurgie tauglich.  Doch immerhin lässt sich festhalten: ein attraktives Äußeres ein Gut, das Menschen hilft positiv wahrgenommen zu werden. Dabei beschränke ich mich – in befangener Betroffenheit – auf meine Geschlechtsgenossen und zwar auf das Merkmal, das man mit männlichen Aussehen gerne verbindet, mit einer stattlichen Größe. Und wenn Untersuchungen ermittelt haben, dass größere Männer vor allem im Management bessere Karrierechancen haben als kleinere, mag dies rein rechnerisch zutreffen. Der Grund mag letztendlich darin liegen, dass sie von vornherein rein optisch besser wahrgenommen werden und man ihnen von daher wenigstens bessere Startchancen einräumt. Allerdings scheint es inzwischen neuere Untersuchungen geben, die etwas anderes aussagen, vielleicht von einem Forscher gemacht, der nicht so vorteilhaft aussieht. Ungeachtet dessen: Vorschusslorbeeren können auch zu großen Enttäuschungen führen. Sich auf einem Vorsprung auszuruhen, den einem sein Äußeres bieten kann, stellt sich langfristig betrachtet möglicherweise eher als eine Last dar.

 

Sich selbst zu präsentieren, stellt einen thematischen Fundus für Ratgeber dar, vorneweg Kommentare zur Körpersprache. Solche Ratgeber enthalten selbst grenzwertige, wenn nicht sogar unsinnige Behauptungen, dass z.B. in einem Bewerbergespräch es weniger darauf ankommt, was man sagt als vielmehr, wie man etwas sagt. Sicherlich sind Elemente der Körpersprache, wie z.B. das Bewegungsverhalten, das Distanzverhalten, parasprachliche Signals wie die Tonhöhe und Lautstärke oder der Ausdruck von Emotionen wie z.B. das Zittern in der Stimme und insgesamt Mimik und Gestik wichtig, ihnen jedoch größeren Einfluss zuzuschreiben als der verbalen Sprache sind verkaufbare Verkaufstricks für Verkäufer zum Verkauf von Dingen, die an sich kaum verkaufbar sind. Möglicherweise können solche Tricks für eine kurze Zeit einen schnellen Erfolg verheißen, der sich jedoch nicht nur verflüchtigt, sondern geradezu ins Gegenteil umschlägt, weil plötzlich die Diskrepanz zwischen äußerer Hülle und dem inhaltlichen Gehalt umso erschreckender deutlich wird.

Wichtiger ist vielmehr die Kongruenz zwischen der Körpersprache und dem was inhaltlich geliefert und auch zugesichert wird. Diese Diskrepanz wird von den Adressaten des antrainierten Auftritts meistens schnell und wenn möglicherweise zu spät, dann aber mit umso größerer Enttäuschung erkannt. Nicht selten hört man den von Mitarbeitern geraunten Verdacht gegenüber einem Vorgesetzten, dass dies wohl kürzlich wieder ein Führungsseminar besucht habe. Da hört die frisch geschulte Personalreferentin ihren Schutzbefohlenen mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu und nickt mit gleichbleibender Behändigkeit bei deren Ausführungen und wirkt dabei letztlich wie die menschliche Karikatur eines Wackeldackels. Auch Ratschläge, wie man sich nicht präsentieren soll, so z.B. mit verschränkte Arme vor der Brust, um nicht Abwehr oder Desinteresse zu signalisieren, sind solche Küchenrezepte. Auch wenn solche gerne von anderen aufgesogen werden, berühren die im Grunde genommen lediglich Äußerlichkeiten, die zweitrangig bleiben und bleiben sollen.

 

Nehmen wir einmal das beliebtes Beobachtungselement der verschränkten Arme, als angebliches deutliches Signal dafür ist, dass der Gesprächspartner, mit dem ich im Augenblick in Kontakt stehe, abgewandt, in Verteidigungs- und Schutzhaltung also kurz: „zu“ sei. Solche Kurzdiagnosen sind Kurzschlüsse, die leider weit verbreitet sind und für die es eine einfache Erklärung gibt. Sie sind vor allem von Menschen eingeholt worden, die naturgemäß einen fokussierten, doch aber eingeschränkten Blick haben. An vorderster Stelle der Pantomime Marcel Marceau. Dass dieser großartige Künstler den Armen und der Haltung des Körpers insgesamt eine dominante Bedeutung zumisst, ist verständlich, da es die Ausdrucksmittel des Pantomimen sind, zumal das Gesicht weiß geschminkt ist. Ihm bleibt somit nichts anderes übrig, als mit körperlichen Elementen seine Botschaft zu vermitteln. Für den normalen Alltag ist, das Gesamtensemble der Präsentation als Person wichtiger. Wer mehr Möglichkeiten hat, sich auszudrücken wird den Eindruck, den man gemeinhin den verschränkten Armen zuweist, mehr als egalisieren können.

 

Ein wichtigeres äußeres Merkmal sind die Augen (als Fenster der Seele und dadurch von beiden Seiten durchsichtig)und hier vor allem die Signale, die von diesen ausgesendet werden.

Die Augen als Zeichen von der eigenen Energie und gleichzeitig von dem Interesse an dem anderen, schaffen eine Aura von Offenheit, die das eigene Interesse an dem anderen öffnet und gleichzeitig die Bereitschaft weckt, sich vor diesem nicht zu verstecken. Damit ist der Boden bereitet, auf dem Einfluss gedeiht, vor allem wenn die Botschaft der Augen durch gleichbedeutende Gesten und dann auch gleichlautende Worte unterstützt wird. Nicht vergessen werden darf die Stimme, die diese Botschaften in Worte fasst. Die Tonlage und die Klangfülle der Stimme werden vor allem bei Männern als wichtiges Moment, Eindruck zu hinterlassen benannt, und dies vor allem von Frauen.

 

Alle diese Fähigkeiten, sich nach außen zu präsentieren, bleiben jedoch Hülle, wenn sie nicht von innen gestützt werden. Wer sich mit dem Theater und vor allem mit der  Praxis von Inszenierungen auseinandersetzt, weiß, dass, wenn man eine Rolle nicht aus einer inneren Spannung heraus anlegt, Privatmann auf der Bühne bleibt und nicht die Figur verkörpert, die man zu spielen hat.

 

Wichtiger als die äußere Erscheinung ist die Art und Weise, wie der Mensch diese in sozialen Kontakt zu den Mitmenschen bringt, wie er sich in der Interaktion mit anderen darstellt. Insofern sind folgende Kriterien weit wichtiger, nicht nur für das Gewinnen von Einfluss, sondern auch für dessen nachhaltigem Ausüben von Bedeutung sind.

Außer der inhaltlichen Qualität, und der Qualität der Art und Weise, seine Meinung zu äußern, denen wir ein eigenes Modul widmen, gehören hierzu die

  • die Bereitschaft und die Art und Weise der Kontaktaufnahme mit anderen
  • die Ausstrahlung des eigenen, persönlichen Engagements

 

Diese Aspekte wirken nicht nur in der vorwiegend ersten Phase der Einflussgewinnung, sondern auch darüber hinaus auch für die nachfolgenden Phasen. Das heißt: es genügt nicht, die erste Phase mit Bravour zu bestehen, sondern auf diesem Erfolg aufbauend den Vorschuss an Einflusspotenzial für die nachfolgenden zu nutzen. Auf beide Aspekte gehen wir in je einem Teilmodul ein.

Einfluss ausüben. Hat man den Einfluss gewonnen, wenn auch möglicherweise eingegrenzt auf einen bestimmten Kreis von Personen und auf einen ausgewählten Themenkreis, geht es nun darum, diesen Einfluss im alltäglichen Tun um- und einzusetzen. Dabei ist die Art und Weise des persönlichen Auftretens ebenfalls ein Aspekt wie die strukturelle Organisation, die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln (im Sinne einer Organisationskultur), die Abläufe und der konkreten Menschen innerhalb des Einflussfeldes mit ihren Zielvorstellungen, Erwartungen und Empfindlichkeiten.

 

Einfluss behaupten ist zu einem gewissen Teil eine der ständigen Aktivitäten in der Phase der Ausübung des Einflusses. Sie ist sicherlich auch ein Zeichen von Abnutzungserscheinungen, denen vor allem Führungskräfte ausgesetzt sind, an deren Privilegien andere teilhaben oder sie irgendwann auch ganz ererben wollen und führen schließlich zu der nachfolgenden Phase.

 

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Einfluss abgeben irgendwann wird sicherlich der Zeitpunkt kommen, wo alleine schon die Biologie des Alterns ihren Tribut fordert, wenn es nicht von vornherein geregelt ist, z.B. durch entsprechende Ruhestandsregelungen, dass die Überlegenheit der Jüngeren nicht mehr demonstriert werden muss. Hier stellt sich die Frage, wie die „Hofübergabe“ geregelt ist und die persönliche Art und Weise, wie der Alte von Bord geht. Gehört er zu denen, die es nicht lassen können, immer wieder den Nachfolgern hineinzureden, oder zu denen, die aus einer erzwungen wirkenden Distanz mit eben solch großer Wehmut wie Sorge auf ihr Lebenswerk blicken, die sich zur Not als Berater oder Aushilfe bereithalten. Wobei es auch hier eine Vielzahl von Varianten gibt von denen, die ungeduldig darauf warten, bis sie endlich gefragt werden, bis hin zu denen, die hoffen, dass dies nie oder nur ganz selten geschehen möge. Schließlich gibt es auch noch die Spezies, die ihren ursprünglichen Einflussbereich als eine persönliche archäologische Ausgrabungsstätte verstehen, in der man dann den Nachnachfolgern detailgetreu von früher erzählt und möglicherweise noch mit Erinnerungsstücken belegt.

Oder weit besser: man schreibt das Ganze zusammen und versucht, es als Buch, einer anonymen Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben oder als Coach den Ratsuchenden zur Verfügung zu stellen. Vielleicht ist dies die Art, in einer schnelllebigen Welt Erfahrungen weiterzugeben.

 

 

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