CORONA KRISE ALS CHANCE 4

Die Regierenden in der Retter Rolle

In unserem Modul 6, das sich mit den besonderen Situationen bzw. Anlässen befasst, die eine entschiedene Einflussnahme geradezu herausfordern, haben wir auf die Situation der Bedrohung verwiesen und die Akteurs-Rolle eines Retters beschrieben. Dabei ist die männliche Formulierung dieser Rolle nicht von ungefähr. Der Retter, der Held in glänzender Rüstung, ist traditionell männlich besetzt. Deren jüngste Besetzung durch eine Frau, ist, wie nur wenige andere gesellschaftliche Veränderung, ein deutliches Zeichen für die zunehmende Gleichberechtigung in der Geschlechterszenerie. Unabhängig von einer Genderdebatte verleiht die gegenwärtige Krisensituation durch das Corona Virus der Retter Rolle eine geradezu existenzielle Bedeutung. Und die wächst noch, wenn sie noch mit der legitimen Rolle des Repräsentanten oder der Repräsentantin verknüpft ist. Offen bleibt jedoch, wie die Retter Rolle ausgestaltet wird.

Die Varianten der Ausgestaltung dieser Retter Rolle haben wir schon in dem Blog-Beitrag "Corona Krise als Chance 2" mit folgenden drei Alternativen beschrieben.

  • Volkstribun
  • Senator und
  • König im Exil

Der Volkstribun, als derjenige, der lautstark Parolen brüllend und das Schwert schwingend vor den Seinen herläuft und sich dem Feinde vorneweg entgegen wirft, wird vom Antreiber immer mehr zum Getriebenen seiner Gefolgschaft. Nicht zu Unrecht fürchtet er, gemeuchelt zu werden, wenn er umfällt, nicht aber wenn er von Gegners Hand fällt. Dann wird er zum Märtyrer. Unabhängig davon, als Retter riskiert er sein Leben und kann nur kurz aber heftig, seine eigene Bedeutung feiern und feiern lassen.

Da verspricht die Rolle des Senators als Repräsentant einer Gruppe doch ein längeres Leben. Es ist zwar weniger von triumphalen Augenblicken geprägt, aber dann auch ohne ein solch dramatisches und auch schmerzliches Ende. Der Senator hat zwar eine Heimat in einer Gruppe, die ihm auch die Legitimation für ein repräsentatives Amt, verleiht, dies aber nicht mit dem Zwang verbindet, vor allem Interessenvertreter derer zu sein, die ihm das Mandat gegeben haben. Er hat vielmehr den Auftrag, im Sinne des Gemeinwohls zu entscheiden, auch wenn dies möglicherweise gegen seine politische Heimat geschieht.

Schließlich gibt es noch den Typus König im Exil. Er vertritt eine Gruppe, deren Vertretung eigentlich auf eine ideologische Ersatzfunktion beschränkt ist, nach dem Motto, „wenn ich und meine Gruppe etwas zu sagen hätten, dann…“. Eine Rolle, die in Deutschland nun schon über Jahre fast lupenrein „Die Linke“ vertrat. Wenn man es rhetorisch so geschickt macht, wie es z.B. Gregor Gisy tut, bereitet dies wenigstens intellektuellen Genuss.

Krisen sind erfahrungsgemäß Zeiten, in denen die Exekutive besonders gefordert ist und in denen ihr am ehestens Macht und Einfluss zufließt. Wo schnelles Handeln gefragt ist, sind langwierige auf Legitimation bedachte Verfahren weniger praktikabel. Insofern ist ein Blick auf das Verhalten der Regierenden auch im internationalen Vergleich aufschlussreich und hier hilft uns die zuvor getroffene Unterscheidung in unterschiedliche Typen von Repräsentanten.

Geradezu auf den Leib geschneidert ist die Rolle des Volkstribuns auf Donald Trump – oder umgekehrt. Vor allem sein Bemühen, einen Gegner auszumachen und anzugreifen, ist entlarvend. Da es selbst ihm nicht gelingt, die Truppen gegen ein unsichtbares Virus hinter sich zu sammeln, müssen personalisierte oder wenigstens institutionalisierte Schuldige herhalten. Das sind Berater oder in konkreten Fall die WHO. Das Kampfmittel ist Entlassung oder Geldentzug. Dabei hat er sich selbst in die Rolle des Getriebenen gebracht, der je nach Erfolg spätestens bei der nächsten Präsidentenwahl dafür bestraft oder aus seiner Herrschersicht gemeuchelt werden könnte.

Das Theaterstück mit dem Volktribun in der Hauptrolle wird jedoch nicht nur auf den Bühnen Amerikas gegeben; es steht auch auf dem Spielplan europäischer Bühnen so z.B. in Ungarn. Dort hat der Volkstribun sogar schon durch entsprechende Gesetze Vorsorge getroffen, nicht so schnell gemeuchelt werden zu können.

Zwar nicht so dramatisch erregend, ist das Geschehen auf der deutschen politischen Bühne. Dort scheint sich das Senatoren-Modell durchgesetzt zu haben. Die Regierenden meiden das politische Getümmel auf offener Bühne und haben sich einer wissenschaftlich gestützten Sachlichkeit verschrieben, die wohl nicht zum aufregenden Miterleben eines Dramas taugt, aber in Zeiten, die schon aufregend genug sind, für eine wohltuende Entspannung oder wenigstens für ein Zutrauen sorgt, dass die Entscheider schon das Richtige tun. Beleg dafür ist die in ihrer Sachlichkeit doch beeindruckende Pressekonferenz der Vertreter der Bundesregierung und der Länderkammer am 16. April 2020. Für mich ist diese Veranstaltung ein Merkposten der wichtigen politischen Ereignisse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Das haben wohl auch diejenigen eingesehen, die sonst üblich, die Welt mit ihren Vorstellungen beglücken, was sie getan hätten, wenn sie nicht aus den Machtzentralen ferngehalten und ihren aktiven Einflussmöglichkeiten beraubt worden wären. Solche Äußerungen waren kaum zu vernehmen.

Und die Zuversicht bleibt lebendig. Wir werden die Krise, wenn auch nicht kurzfristig, sondern nur mit einem langen Atem bewältigen. Und dies auch politisch nachhaltig, weil sich unser demokratisches System in Deutschland gerade in dieser Krisensituation bewährt hat und die politische Kultur hoffentlich über den Augenblick hinaus weiterhin prägt.

 

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